Donnerstag, 31. Januar 2013

Rezension zu Knochenlese von Kathy Reichs


Amazon.de: Knochenlese, z. Z. nur gebraucht
Amazon.de: Taschenbuch € 8,99 (Vorbestellen)
Verlag: Heyne (Neuausgabe 8. Juli 2013)
Random House Audio: Hörbuch € 20,95
Autorin: Kathy Reichs
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Taschenbuch: 384 Seiten
Verlag:  Heyne Verlag (8. Juli 2013)
Klaus Berr
ISBN-10: 3453435567
ISBN-13: 978-3453435568
Originaltitel: Grave Secrets



Von der Weltöffentlichkeit weitgehend vergessen, tobte zwischen 1962-1996 in Guatemala der Bürgerkrieg. Die meisten Opfer haben die Maya-Bauern zu beklagen. Immer wieder wurden besonders die Frauen und Kinder vergewaltigt und abgeschlachtet. Die Überreste eines solchen Massakers untersucht Tempe als Mitglied der Menschenrechtsorganisation FAFG (Fundación de Antropología Forense de Guatemala) in einem kleinen Dorf. Schnell wird klar, dass die Aktion der Regierung ein Dorn im Auge ist. Ein Attentat auf zwei Mitglieder ihrer Gruppe hält Tempe jedoch nicht davon ab ihre Aufgabe zu erfüllen: „Ich fühlte mich, als würde ich von einem Paralleluniversum sprechen, in dem verfaulende Körper die Hauptrollen in einer Moralität spielen, die zu entsetzlich für Worte ist. Kopflose Mütter. Massakrierte Kleinkinder. Eine alte Frau, die überlebte, weil sie Bohnen zu verkaufen hatte...“
Während sie noch um die Identität der zahlreichen Opfer ringt, bittet die örtliche Polizei sie um ihre Mithilfe. Im Faultank eines Hotels wurden Leichenreste gefunden. Zögernd stimmt sie zu.
Als das Skelett sorgsam sortiert auf einem Laken liegt und auf seine Reinigung wartet, macht der Untersuchungsrichter einen ungewöhnlichen Schritt: Er kassiert die Überreste ein, bedankt sich für die Hilfe und verbittet sich weitere Einmischung von Seiten der Amerikanerin.
Mit der Unterstützung eines Jugendfreunds von Andrew Ryan setzt Tempe umso mehr alles daran der Wahrheit auf den Grund zu gehen.

Wie ihr Alter Ego gehört Kathy Reichs zu der kleinen Gruppe von forensischen Anthropologen, die weltweit auf freiwilliger Basis den Opfern von Menschenrechtsverletzungen Gesicht und Namen zurück geben. Daher ist „Knochenlese“ das bisher persönlichste Buch aus der Reihe um Tempe Brennan. Das Dorf Chupan Ya mag erfunden sein – die Schilderung des Grauens ist es nicht. Und auch die politischen Verhältnisse, die immer noch die Täter von damals schützen, sind es nicht.

Der Plot um die vier vermissten Frauen, von denen eine möglicherweise als Pfropfen im Faultank landete, ist gewohnt spannend und mit vielen Wendungen erzählt. Der Abstecher nach Montreal und die Einbeziehung von Andrew Ryan in die Aufklärung ist logisch eingebaut. Beweise sichert man am Besten auf neutralem Grund, wenn der politische Druck in Lateinamerika dies zu verhindern versucht...

Sehr gut finde ich die vielen Aspekte der Handlung. Reichs gelingt ein Rundumschlag zwischen der Vergangenheit Lateinamerikas über die pubertierende Rebellion der Tochter des kanadischen Botschafters bis hin zur immer noch aktuellen Diskussion über die Stammzellenforschung.

Gleichzeitig habe ich die verschiedenen Zonen von Guatemala City regelrecht vor Augen gehabt. Wie im Nachwort erwähnt, hat sich Reichs nicht auf ihre Erinnerungen verlassen, sondern hat vor Ort recherchiert. Die Charaktere sind lebendig beschrieben und handeln in ihrer Rolle logisch.

Etwas gestört hat mich im Nachhinein, dass die Heldin sich wieder einmal in Lebensgefahr bringt und damit die Lösung des Falls einhergeht. Als Wissenschaftlerin sollte sich Reichs nicht immer wieder in Träume flüchten, um die verschiedenen Handlungsstränge zusammen zu bringen. Wie wäre es mit einer Diskussion mit ihren zwei Verehrern, die zum Kern des Falles führt? Andere Autoren schaffen es auch ihre Helden ohne direkte Gefährdung durch einen Fall zu bringen. Hier macht es sogar den Eindruck, als ob Reichs der Verleger im Nacken saß. Viel zu plötzlich sind alle Fragen geklärt.

Die Verwirrung Tempes über die Anziehungskraft, die Sergeant-Detective Bartolomé Galiano auf sie ausübt, sorgt für das erotische Kribbeln und die nötige Prise Humor. Besonders als Ryan ebenfalls in Guatemala City eintrifft, sprühen die Funken. Ein netter Aspekt in der Person von Andrew Ryan: Er vertritt den Leser ohne Studienabschluss in Anthropologie, Medizin oder Genetik. „Die Kurzfassung, bitte. Und in maximal 5 Minuten.“ Trotzdem bleibt noch genug, was manchen Leser abschrecken könnte. Wer Angst vor wissenschaftlichen Begriffen und Vorgehensweisen hat, ist bei Reichs sowieso falsch beraten.

Richtig gefesselt und berührt hat mich der Subtext. Hier hat sich Reichs einiges von ihren Erfahrungen von der Seele geschrieben. Viele der Gefühle und Bilder bei der Ausgrabung – z.B. beim Anblick von Babyknochen – sind zu realistisch um komplett erfunden zu sein. Angenehm tritt Tempe hinter den Opfern und ihren Angehörigen zurück. Guatemala ist hier nur ein Beispiel für so viele Regierungen, für die Menschenrechtsverletzungen zum alltäglichen Geschäft gehören. Und Kathy Reichs bricht das Schweigen – leider nicht über die Verwicklung der CIA in die Massaker.

Die „Gräbergeheimnisse“ sind auf jeden Fall das mehrfache Lesen wert. Auch die Hörbuch-Version mit Hansi Jochmann hatte mir schon einige schlaflose Nächte bereitet.

Wegen der Schwächen wären eigentlich 4 Sterne als Bewertung gerecht. Der politische Subtext und das Engagement der Autorin verdient jedoch einen Extra-Punkt. Daher komme ich auf 5 von 5 Sternen.
Rezensentin: die bessere Hälfte

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